Die Frage „Pflegeheim oder Pflege daheim?“ stellt sich fast immer, wenn ein Pflegefall eintritt. Die Antwort ist höchst individuell und will gut überlegt sein – und sie kann sich im Verlauf einer längeren Pflegebedürftigkeit durchaus ändern.
Die Pflege zu Hause ist für die allermeisten Pflegebedürftigen in Deutschland der Normalfall. Das verrät ein Blick in die Statistik: 76 Prozent der rund 3,4 Mio. deutschen Pflegebedürftigen wohnt zu Hause. Von diesen 2,5 Mio. Menschen werden mehr als 1,7 Mio. allein durch ihren Angehörigen gepflegt. Rund 800.000 Pflegebedürftige werden zusammen mit oder allein durch Pflegedienste gepflegt.
Inzwischen sind Begriffe wie „ambulante Pflege“ bzw. „stationäre Pflege“ fast im allgemeinen Sprachgebrauch angekommen. Deshalb eine kurze Definition:
Ambulante vs. stationäre Pflege
Der Gesetzgeber spricht im Rahmen der Pflegeversicherung von „stationärer Pflege“ (in einer Pflegeeinrichtung, also einem Heim) bzw. „ambulanter Pflege“ (Pflege in der Häuslichkeit des Pflegebedürftigen). Ganz generell gibt der Gesetzgeber, so steht’s in § 13 SGB XII, der ambulanten Pflege den Vorrang. Zwei Gründe sprechen dafür:
- Der Pflegebedürftige kann in seiner gewohnten Umgebung bleiben.
- Eine ambulante Versorgung ist kostengünstiger als eine stationäre.
Pflegebedürftigkeit – die Voraussetzungen
Pflegeheime nehmen nur Menschen auf, die pflegebedürftig sind. D. h. jemand ist wegen gesundheitlicher Probleme in seiner Selbstständigkeit oder seinen Fähigkeiten so beeinträchtigt, dass er deshalb die Hilfe anderer Menschen braucht und zwar mindestens für die Dauer von sechs Monaten. Außerdem müssen die Beeinträchtigungen ein bestimmtes Ausmaß erreichen, sodass sie mindestens dem Pflegegrad 2 (§ 15 SGB XI) entsprechen. Die Feststellung des Pflegegrades übernehmen Gutachter der Krankenkassen.
Wer zahlt was fürs Pflegeheim?
Die Kosten für einen Heimplatz, das sog. Heimentgelt, ist eine Kombination mehrerer Leistungen:
- Pflegerische Leistungen,
- Einrichtungseinheitlicher Eigenanteil (Anteil zu den Pflegekosten, den jeder Heimbewohner zusätzlich aufbringen muss)
- Unterbringung,
- Verpflegung,
- Investitionskosten (z. B. Instandhaltung des Heimes)
- ggfs. Ausbildungsumlage (für die Ausbildung von Pflegekräften)
- ggfs. Zusatzleistungen (für besondere Leistungen des Pflegeheims, etwa ein größeres Zimmer etc.)
Mit monatlichen Kosten von 3.000 Euro und mehr für einen Platz im Pflegeheim muss gerechnet werden. Lediglich einen Teil dieser Kosten übernimmt die Pflegeversicherung mit einem monatlichen Zuschuss.
Leistungen der Pflegeversicherung bei einer stationären Pflege
Pflegegrad | Pflegeversicherung |
1 | 125 Euro |
2 | 770 Euro |
3 | 1.262 Euro |
4 | 1.775 Euro |
5 | 2.005 Euro |
Für alles andere müssen der Pflegebedürftige bzw. seine Angehörigen aufkommen. Je nach Pflegeheim können das durchaus 2.000 Euro pro Monat und mehr sein.
Eine Beispielrechnung
Silke Winter hat Pflegegrad 3. Würde sie in ein Pflegeheim ziehen, sähe ihre Rechnung jeden Monat so aus:
Stationäre Unterbringung in einem Pflegeheim – monatliche Kosten
Monatliche Aufwendungen | Kosten | Silke Winters Anteil |
Pflegekosten | 1.600 Euro | |
abzgl. Zuschuss der Pflegeversicherung | -1.262 Euro | |
verbleibt einrichtungseinheitlicher Eigenanteil | 338 Euro | |
Unterkunft | 600 Euro | 600 Euro |
Verpflegung | 400 Euro | 400 Euro |
Investitionskosten | 850 Euro | 850 Euro |
Ausbildungsumlage | 120 Euro | 120 Euro |
GESAMT | 2.308 Euro |
Was zahlt der Pflegebedürftige fürs Pflegeheim?
Die Heimkosten muss der Pflegebedürftige aus seinem monatlichen Einkommen und seinem Vermögen (bis auf ein Schonvermögen von max. 5.000 Euro) bestreiten.
Was müssen Angehörige fürs Pflegeheim zahlen?
Erst ab einem Bruttojahreseinkommen von 100.000 Euro sind Kinder verpflichtet, sich an den Kosten für den Heimplatz ihrer pflegebedürftigen Eltern zu beteiligen. Weiteres Barvermögen, Immobilien, Aktienbesitz etc. werden nicht berücksichtigt.
Anders sieht es bei Ehepartnern aus, bei denen einer pflegebedürftig im Heim lebt: Sie müssen sich an den Heimkosten beteiligen und können lediglich einen monatlichen Selbstbehalt von 1.000 Euro geltend machen.
Weiteres Barvermögen des Ehepaares wird ebenfalls bis auf 3.214 Euro für die Finanzierung herangezogen. Ein selbst genutztes Eigenheim (wenn es denn angemessen, sprich: nicht luxuriös, sehr groß oder besonders wertvoll ist) oder ein Auto, das wegen Berufstätigkeit oder Behinderung genutzt wird, bleiben unberücksichtigt.
Das Sozialamt zahlt, wenn die Rente nicht reicht
Ist kein Ehepartner da, springt das Sozialamt ein. Zunächst wird aber die gesamte Rente (bis auf 116,64 Euro „Taschengeld“) einbehalten. Dann stockt der Sozialhilfeträger auf und überweist die Monatskosten ans Heim.
Das Pflegeheim: Vor- und Nachteile
Eine Versorgung im Pflegeheim hat durchaus Vorteile:
- Es gibt eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung.
- Die pflegerische Versorgung ist gesichert, ebenso wie die Unterbringung und die Ernährung.
- Eine tägliche Aktivierung und Beschäftigung wird geboten.
- Weder Angehörige noch Freunde oder Nachbarn werden belastet.
Die Nachteile:
- Statt der gewohnten häuslichen Umgebung gibt es nur noch ein Zimmer mit relativ wenig individuellen Gestaltungsmöglichkeiten.
- Nachbarn, Freunde, Angehörige sind plötzlich nicht mehr täglich da.
- Haustiere können nicht immer mitgenommen werden.
- Die Selbstständigkeit bei der täglichen Routine ist eingeschränkt, denn im Heim gibt es nun mal eine klare Struktur, die von der Pflege bestimmt wird. Für individuelle Betreuung ist nur eingeschränkt Zeit und Gelegenheit. (Auch wenn sich viele Heime sehr viel Mühe geben).
- Die Pflege- und Betreuungspersonen wechseln häufig.
- Hohe Zuzahlungen. Die Pflegeversicherung ist kein Rundum-sorglos-Paket, sondern lediglich eine teilweise Erstattung der im Heim anfallenden Kosten. Für den nicht unerheblichen Rest müssen der Pflegebedürftige selbst bzw. seine Angehörigen aufkommen.
Wer pflegt mich zu Hause? – Die ambulante Pflege
Zuhause wohnen bleiben, inmitten all der liebgewordenen Möbel und Erinnerungsstücke. Für die allermeisten Pflegebedürftigen ist das kein Traum, sondern Realität. Mit einer Kombination von Pflegegeld und Pflegesachleistungen hilft die Pflegeversicherung bei der Finanzierung der nötigen Pflege.
Monatliche Zuschüsse der Pflegeversicherung bei ambulanter Pflege
Pflegegrad | Pflegegeld | Pflegesachleistung |
1 | – | – |
2 | 316 Euro | 689 Euro |
3 | 545 Euro | 1.298 Euro |
4 | 728 Euro | 1.612 Euro |
5 | 907 Euro | 1.995 Euro |
Pflegegeld
Pflegegeld (§ 37 SGB XI) ist „für selbst beschaffte Hilfen“ vorgesehen. D. h. Angehörige, Nachbarn, Freunde kümmern sich um den Pflegebedürftigen. Er erhält sein monatliches Pflegegeld direkt aufs Konto und kann damit seine Helfer entlohnen.
Pflegesachleistungen
Werden eine professionelle Pflegekraft benötigt, oder aber Leistungen der Tages- und/oder Nachtpflege, so handelt es sich dabei um „Pflegesachleistungen“ (§ 36 SGB XI). Der Begriff ist irreführend, denn es handelt sich nicht um Sachen, die gekauft werden, sondern um Dienstleistungen von professionellen Pflegekräften bzw. Anbietern. Diese rechnen ihre Leistungen direkt mit der Pflegeversicherung ab.
Pflegegeld und -sachleistungen kombinieren
Angehörige übernehmen die Betreuung, ein Pflegedienst die pflegerische Versorgung. So sieht es in vielen Haushalten von Pflegebedürftigen aus. Deshalb ist eine Kombination aus Pflegegeld und -sachleistung ideal. Wird in einem Monat mal nicht der ganze Betrag der Pflegesachleistung verbraucht (etwa durch einen Krankenaufenthalt), wird er prozentual in Pflegegeld ausgezahlt:
Sonderleistungen der Pflegeversicherung: Verhinderungs- bzw. Kurzzeitpflege
Wenn ein Pflegebedürftiger ab Pflegegrad 2 zuhause mindestens sechs Monate von einer Pflegeperson (Angehöriger oder ehrenamtliche Person) gepflegt wird, hat er auch Anspruch auf die sog. Verhinderungspflege. Ist nämlich die Pflegeperson mal wegen Krankheit oder Urlaub verhindert, kann sie stunden-, tage- oder wochenweise durch eine professionelle Pflegekraft vertreten werden. Die Pflegeversicherung übernimmt die Kosten dafür: bis zu sechs Wochen im Jahr oder max. 1.612 Euro.
Der Clou: Die Leistungen der Verhinderungspflege können mit jenen für die Kurzzeitpflege kombiniert werden. Nimmt ein Pflegebedürftiger in einem Jahr keine Leistungen für die Kurzzeitpflege in Anspruch, erhöht sich sein Anspruch auf Leistungen der Verhinderungspflege auf bis 2.418 Euro.
Beispielrechnungen:
Silke Winter hat Pflegegrad 3 und benötigt ambulante Pflege durch einen Pflegedienst. Sie hat sich dafür entschieden, die Kombinationsleistung in Anspruch zu nehmen. Im Normalfall sieht ihre Monatsrechnung so aus:
Ambulante Pflege durch einen Pflegedienst – monatliche Kosten
Monatliche Aufwendungen | Kosten | Silke Winters Anteil |
Pflegekosten (Körperpflege, Haushaltsführung, Begleitung etc.) |
1.700 Euro | |
Abzgl. Zuschuss der Pflegeversicherung | 1.289 Euro | 411 Euro |
Unterkunft, Verpflegung im eigenen abbezahlten Haus | 700 Euro | |
GESAMT | 1.111 Euro |
Normalerweise verbraucht Silke Winter die ganzen 1.298 Euro im Monat und erhält kein Pflegegeld. Als sie jedoch zwei Wochen im Krankenhaus ist, braucht sie weniger Hilfe durch den ambulanten Dienst. Statt der 1.298 Euro fällt nur die Hälfte an. Die 50 Prozent, die sie an Pflegesachleistung in diesem Monat nicht braucht, werden stattdessen als Pflegegeld ausgezahlt und Silke Winter erhält 272,50 Euro (50 % von 545 Euro).
24-Stunden-Betreuung bzw. 24-Stunden-Pflege
Manchmal sind keine Angehörigen da, die sich kümmern können. Manchmal ist – gerade bei einer Demenz – sehr viel Betreuung nötig. Mit der 24-Stunden-Pflege oder -Betreuung steht auch eine verlässliche Hilfe bereit. Die Kosten für eine solche 24-Stunden-Betreuung variieren, aber mit monatlichen Kosten von mind. 1.900 Euro muss dabei gerechnet werden. Und das Pflegegeld kann dafür verwendet werden.
Beispielrechnung:
Für Silke Winter mit Pflegegrad 3 sähe die Rechnung dann so aus, wenn sie auf einen ambulanten Pflegedienst (Pflegesachleistung) ganz verzichten könnte:
Monatliche Aufwendungen | Kosten | Silke Winters Anteil |
24-Stunden-Betreuung | 1.900 Euro | |
Abzgl. Zuschuss der Pflegeversicherung (Pflegegeld) | -545 Euro | 1.355 Euro |
Unterkunft, Verpflegung im eigenen abbezahlten Haus | 700 Euro | |
GESAMT | 2.055 Euro |
Steuerermäßigung beachten!
Die Kosten für eine Pflegekraft, eine 24-Stunden-Betreuung oder eine Pflegeperson wirken sich übrigens steuermäßigend aus: 20 Prozent der Kosten (max. 4.000 Euro/Jahr) werden als außergewöhnliche Belastung anerkannt.
Pflege zu Hause: die Vor- und Nachteile
Die Vorteile:
- Der Pflegebedürftige lebt in seiner eigenen Wohnung (oder im Haus seiner Angehörigen).
- Die eigene Freiheit und Selbstständigkeit bleiben: die eigene Tagesgestaltung, geliebte Routinen, Hobbys.
- Pflegerische Versorgung durch ambulante Dienste.
- Bei Bedarf 24-Stunden-Betreuung durch sorgfältig ausgesuchte Betreuungspersonen.
- Angehörige, Freunde, Nachbarn bleiben nahe.
- Pflege und Betreuung sind kostengünstiger als in einem Pflegeheim.
- Die Betreuungspersonen bleiben über längere Zeit dieselben. Vertrautheit entsteht.
- Pflegende Angehörige können Pflegeunterstützungsgeld beantragen, wenn sie durch die Pflege kurzzeitig (max. 10 Tage) nicht arbeiten können.
- Pflegepersonen erhalten Leistungen zur sozialen Sicherung (Rente, Unfall- und Arbeitslosenversicherung).
Doch es gibt auch Nachteile:
- Die Wohnung ist oft nicht auf die spezifischen Bedürfnisse des Pflegebedürftigen eingerichtet (die Pflegeversicherung zahlt aber Zuschüsse für barrierefreie Umbauten).
- Pflegende Angehörige werden stark beansprucht (umso wichtiger ist es, sich rechtzeitig um professionelle Hilfe zu kümmern bzw. Entlastungsangebote für pflegende Angehörige in Anspruch zu nehmen (etwa Verhinderungspflege, eine Leistung der Pflegeversicherung).
Pflege im Heim oder daheim?
Jeder Pflegebedürftige bzw. seine Angehörigen sollte sich sachlich mit den Bedingungen auseinandersetzen, die seine besondere Situation erfordern. Die folgenden Fragen können dabei helfen:
- Wie ist die Wohnsituation? Kann sie passend gemacht werden?
- Wie viel Pflege ist nötig? Wie viel muss davon von professionellen Kräften geleistet werden?
- Welcher Pflegegrad wird vergeben?
- Gibt es Angehörige, Freunde, Nachbarn etc., die helfen wollen und können?
- Gibt es die Möglichkeit, eine 24-Stunden-Betreuung anzustellen und auch adäquat wohnen zu lassen?
Häufige Fragen
Wer bezahlt das Altenheim, wenn die Rente nicht reicht?
Zunächst muss das Vermögen des Pflegebedürftigen (bis auf 5.000 Euro) für die Heimkosten aufgebraucht werden. Ist ein Ehepartner (sofern nicht selbst pflegebedürftig) vorhanden, so übernimmt er die Kosten. Monatlich darf der Ehepartner dabei nur einen sog. Selbstbehalt von 1.000 Euro für sich beanspruchen. Auch das Barvermögen muss bis auf 3.214 Euro für die Heimkosten aufgebraucht werden. Die Kinder des Pflegebedürftigen werden erst herangezogen, wenn ihr Bruttojahresverdienst über 100.000 Euro liegt.
Kann ich meine Mutter gegen ihren Willen ins Pflegeheim bringen?
Nein. Es ist nicht möglich, jemanden gegen seinen Willen in ein Pflegeheim zu bringen. Es sei denn, dass die Mutter in Gefahr gerät, weil sie allein zu Hause lebt oder ihr ein gesundheitlicher Schaden dadurch droht. Doch auch hier ist eine Einweisung „einfach so“ nicht möglich. Ein Betreuungsgericht muss dieser sog. „Zwangseinweisung“ zustimmen.
Was müssen Angehörige für Pflegeheim zahlen?
Sie werden erst dann zur Zahlung herangezogen, wenn das eigene Vermögen (Rente, Barvermögen) des Pflegebedürftigen nicht zur Deckung der Kosten ausreicht. Siehe hier auch die Antwort auf Frage 1.
Wie hoch ist der Selbstbehalt, wenn der Ehepartner im Pflegeheim ist?
Monatlich dürfen Ehepartner max. 1000 Euro für sich beanspruchen sowie max. 3.214 Euro an Vermögen.
Wann zahlt das Sozialamt das Pflegeheim?
Erst, wenn weder der Pflegebedürftige selbst noch sein Ehepartner oder seine Kinder nicht herangezogen werden können/müssen, springt das Sozialamt für die Kosten des Pflegeheims ein.
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